Schlussabnahme geplatzt, Einzug übereilt
Wenn Familie Lorenz ihre unweit des Berliner Stadtzentrums befindliche Maisonettwohnung betritt, gelangt sie vom Flur aus rechts in die Küche, von dort aus ins Wohnzimmer und zur Terrasse mit vorgelagertem Garten. Links vom Flur befinden sich eine kleine Toilette, dahinter eine Garderobe und die Treppe zum Obergeschoss mit weiteren Wohnräumen, dem Bad und Hauswirtschaftsraum. Es ist von der Anordnung alles so, wie sie es sich gewünscht hat. „Wir kommen aus dem Stadtbezirk Prenzlauer Berg und finden es großartig, dass wir mitten in der Stadt eine so schöne Wohnung mit viel Grün vor der Tür gefunden haben“, freut sich Erwerberin Lorenz.
Der Einzug sollte etwa vier Wochen nach der Abnahme der Wohnung erfolgen. Umzugsunternehmen und Anlieferung der Möbel waren bestellt. Der Jahreswechsel sollte in der neuen Eigentumswohnung gefeiert werden. Doch während die Möbel bereits gepackt wurden, ließ die Abnahme auf sich warten. Es wurde trotzdem umgezogen, was für die Erwerber schwerwiegende Folgen haben sollte.
Schleppende Mängelbeseitigung
„Da wir absolute Bau-Laien sind, wurde uns der Bauherren-Schutzbund e.V. als kompetenter Begleiter unseres Bauvorhabens empfohlen. Erst nach Unterzeichnung des Kaufvertrages wurden wir Mitglied im BSB, und Architekt Ludger Weidemüller unser Bauherrenberater. Wir vereinbarten mit ihm das BSB-Serviceangebot Baubegleitende Qualitätskontrolle. Bereits nach den ersten gemeinsamen Baustellenbegehungen konnten wir feststellen, dass für uns sein fachlicher Rat sehr hilfreich war. Er kennt die Vorschriften und hat einen Blick für Mängel, die wir mit Sicherheit übersehen hätten.“
In den von ihm während der Bauphase angefertigten Kontrollberichten dokumentierte er eine Vielzahl von Mängeln, die von der bauausführenden Firma nur schleppend beseitigt oder deren Behebung auf das Bauzeitende vertagt wurden.
Beispielsweise wurde bereits in den ersten beiden Baustellenprotokollen auf die Beschädigung des Isolierglasfensters im Schlafzimmer hingewiesen und der Austausch gefordert. „Der Bauleiter meinte dazu, dass der Austausch erst kurz vor Übergabe erfolgen würde, um eine erneute Beschädigung zu vermeiden. Das konnten wir nachvollziehen. Die Behebung anderer Mängel wie der Betonabplatzungen auf der Geschossoberdecke oder die die Verlegung einer zweiten Abdichtung im Duschbereich wurde jedoch trotz Mahnungen bis heute nicht erledigt bzw. nachgewiesen“, resümiert Erwerber Lars Lorenz.
Nachbesserung bei Fußbodenheizung erforderlich
Zu den schwerwiegenden Schäden, die gut 10 Wochen vor dem Abnahmetermin erkannt wurden, zählten unzureichende Estrichüberdeckung der Fußbodenheizung, ungenügende Trittschalldämmung und eine fehlerhafte Heizlastberechnung. Der Bauherrenberater empfahl, entweder nachzubessern oder anderenfalls die erforderlichen Nachweise für die richtige Bauausführung einzufordern. „Wir haben mittlerweile die geänderte Heizlastberechnung erhalten, die aber bezüglich der Raummaße noch immer nicht korrekt ist. Auf diese weiteren Korrekturen warten wir heute noch. Aber wir lassen nicht locker. Die Fußbodenheizung wurde damals praktisch ohne korrekte Berechnungsgrundlage verlegt, was uns bis heute Probleme bereitet. Das gilt zum Beispiel für die erreichbare Maximaltemperatur. Bei voll aufgedrehter Fußbodenheizung und dem Handtuchheizkörper erreichen wir im Gäste-WC/Duschbad kaum die erforderlichen 24 °C, in einzelnen Wohnräume schafft die Fußbodenheizung max. 20/21 °C. Der Bauträger argumentiert, dass er nach DIN in Wohnräumen nur 20° C schuldet. Das sehen wir nicht so “, meint Familie Lorenz.
Bauträger zeigt sich wenig kooperativ
Der Kontakt zwischen Erwerber, Bauherrenberater und Bauleiter ist gut, angespannt ist die Atmosphäre zwischen Erwerber und Bauträger. Das zeigte sich unter anderem darin, dass die Familie Lorenz die Bemusterung erst nach der Unterschrift unter den Kaufvertrag vornehmen konnte. Da war der Rohbau aber bereits in vollem Gange.
Aus dieser ungewöhnlichen Abfolge ergaben sich vorhersehbare Probleme. Familie Lorenz war nämlich in dem einen oder anderen Punkt mit dem Materialangebot nicht einverstanden. „Wir entschieden uns zum Beispiel für andere Fliesen, wählten Parkett nach unserem Geschmack und entschieden uns gegen die Standard-Badewanne. Der Bauträger beschwerte sich über unsere Sonderwünsche. Schließlich hätten er und seine Architekten einen Standard mit gutem Niveau ausgesucht. Er kündigte an, beim nächsten Bauprojekt nicht zuzulassen, dass sich jeder Kunde die Bodenbeläge aussuchen könne“.
Familie Lorenz musste monatelang auf die Mitteilung warten, was ihre Sonderwünsche kosteten. Als sie vorlag, musste sie feststellen, dass die Kosten von Projektmanagement und Planung extrem überteuert waren. Nach Verhandlung kam der Verkäufer den Erwerbern finanziell nur zum Teil entgegen, auf einige Sonderwünsche mussten sie verzichten.
Abnahme ein Desaster
Das BGB § 640 regelt die Abnahme eines Bauobjekts. Danach verpflichtet sich der Besteller, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern die Abnahme nach der Beschaffenheit des Werkes nicht ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. Einer Abnahme gleich kommt der Tatbestand, dass der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist.
Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sie sich bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält. Das ist die Rechtslage.
Wird das Abnahmeprotokoll von allen Beteiligten unterzeichnet, beginnt sofort die Umkehr der Beweislast. Die Erwerber müssen bei danach auftretenden Mängeln nachweisen, wer sie verursacht hat.
Familie Lorenz hatte sich gut gewappnet, denn am Tag vor der Wohnungsabnahme stand der Termin für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Diese Abnahme wurde wegen schwerwiegender Mängel vertagt. Ein Blick in die Wohnung ließ erahnen, wie die einen Tag später anberaumte Wohnungsabnahme verlaufen würde. Zum vereinbarten Zeitpunkt versammelten sich Erwerber, Bauherrenberater, Bauleiter und Architekten.
Der Rundgang durch die Wohnung dauerte mehrere Stunden, ihm schloss sich eine Nachbegehung zwei Tage später an. In diesem langen Protokoll standen am Ende alle noch offenen Nacharbeiten. Hier ein Auszug mit Anmerkungen der Erwerber:
– Haupt-Bad nicht abgenommen, da komplett unfertig, Fertigstellung und gesonderte Abnahme im Beisein von Bauherrenberater Weidemüller zwei Monate später geplant – bis heute nicht fertig.
– Fehlende Duschabtrennung im Gäste-WC, Einbautermin offen.
– Kratzer auf Türfutter der Hauseingangstür. Soll ausgetauscht werden, Termin offen.
– Kratzer auf Scheibe, Fenster muss ausgetauscht werden, Termin offen.
– Treppenhandlauf lose, Befestigung Termin offen.
– Defekter Lichtschalter im Schlafzimmer. Nicht auszuschalten, Benutzung der Lampe nicht möglich, Reparaturtermin offen.
– Fehlende beleuchtete Hausnummer, Herstellung der Funktionsfähigkeit Termin offen.
Einzug war übereilt
„Heute wissen wir, dass wir besser dem Rat unseres Bauherrenberaters Ludger Weidemüller gefolgt und nicht in die Wohnung gezogen wären. Es sind mittlerweile noch gravierende Mängel sichtbar geworden. Da wir mit unserem Einzug beschäftigt waren, haben wir viele Mängel erst später wahrgenommen und streiten uns heute über die Verursachung mit dem Bauträger. Wir sind sehr froh, dass uns Bauherrenberater Weidemüller auch jetzt bei der Mängelbegutachtung und -bewertung zur Seite steht. Ohne ihn wären wir dem Bauträger hilflos ausgeliefert.“
Das gilt auch für die Begleichung der letzten Rechnungen. Bauherrenberater Weidemüller hatte bei der Begehung vorgeschlagen, das Bad bis zur Fertigstellung aus der Abnahme und damit auch aus der Schlussrechnung herauszunehmen. Doch der Bauträger dachte gar nicht daran und präsentierte die volle Rechnung. Trotz gravierender Mängel im Sonder- und Gemeinschaftseigentum erhob er Anspruch auf die 5 % Sicherheitsleistung, die Auftraggeber berechtigt sind, bei der ersten Abschlagszahlung für die rechtzeitige Herstellung des Werkes ohne wesentliche Mängel einzubehalten. „Wir werden eine Gegenrechnung aufmachen“, kündigte Lorenz an.
Unsere Empfehlung
„Mit dem heutigen Wissen können wir allen Bauherren und Erwerbern nur empfehlen, frühzeitig Mitglied im Bauherren-Schutzbund e.V. zu werden. Lassen Sie den Kaufvertrag von Anwälten des BSB prüfen und nicht wie in unserem Fall von einem Anwalt für Immobilienrecht. Im Kaufvertrag sollte vermerkt sein, dass der Erwerber das Recht haben soll, mit einem unabhängigen Baubegleiter die Baustelle zu betreten und der Bauträger diesem Berater die zur Prüfung der Bausubstanz erforderlichen Unterlagen aushändigen muss. Die Bemusterung sollte vor Unterzeichnung des Kaufvertrages erfolgen, sämtliche Sonderwünsche einschließlich verbindlicher Preise müssen im Kaufvertrag ihren Niederschlag finden. Und: Achten Sie darauf, dass Sie mit einem erfahrenen Bauträger und keinem heurigen Hasen bauen. Fragen Sie, ob der Architekt schon Privathäuser geplant hat. In unserem Fall war das Haus das erste Bauprojekt des Bauträgers, und der Architekt hatte bisher nur öffentliche Gebäude geplant. Hinzu kam, dass der Bauleiter keine Erfahrung mit größeren Bauprojekten hatte. Es kam zu mangelhafter Koordination der einzelnen Gewerke und ungenügender Überwachung der Bauausführung“.
[box type=’normal’]Teil 1 Risiko minimieren setzt kompetente Beratung voraus
Teil 2 Expertenrat bereits in der Grundberatung
[/box]
Kommentar hinterlassen