Die Zielstellungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) haben nicht nur höhere Anforderungen an die Gebäudedämmung zur Folge. Damit verbunden ist auch das Thema der Gebäudelüftung in den Fokus der allgemeinen Diskussion gerückt. Lüftung, was genau heißt das? Was bedeutet es ein „dichtes“ Haus zu haben? „Früher war dies doch auch nicht notwendig!“ Diese und andere Fragen werden oft gestellt. Nicht selten sind auch Schimmelschäden in sanierten Altbauten und im Neubau Auslöser der Diskussion.
Welche Anforderungen bestehen aus gesetzlicher und technischer Sicht?
Grundsätzlich müssen Gebäude eine innere luftdichte Bauteilebene nach DIN 4108-7 aufweisen. Dies hat zur Folge, dass Undichtigkeiten sowohl an Einbauten wie Fenstern und Türen als auch an Baustoffen der Außenhülle zu reduzieren bzw. zu verhindern sind. Dadurch wird die „Lüftung durch Infiltration“ weitgehend unterbunden. Darunter versteht man technisch den Luftaustausch zum Beispiel durch ungeplante Fugen an Fenstern oder Leckagen in der Gebäudehülle. Die Messung der Luftdichtheit erfolgt über das allgemein als Blower-Door-Test bekannte Verfahren.
Die EnEV fordert aber auch die „Sicherstellung eines erforderlichen Mindestluftwechsels zum Zwecke der Gesundheit…“. Damit sind hygienische Mindestanforderungen an die Raumluft gemeint. Schadstoffe, ein zu hoher CO2-Wert, Gerüche usw. müssen reduziert bzw. ausgetauscht werden.
Darüber hinaus gibt es noch eine wichtige bauphysikalische Anforderung. Durch die jeweilige Nutzung der Räume wird in unterschiedlichem Maße Feuchtigkeit produziert. Atmung, Kochen, Duschen sind nur einige Stichpunkte. Insbesondere bei Neubauten befindet sich darüber hinaus noch Restfeuchte in den Baustoffen, die schadensfrei abzuführen ist. Erhöhte Feuchtigkeit in den Räumen gehört zu den wichtigsten Ursachen für Schimmelbildung. Richtiges Lüften wirkt dem entgegen.
Was ist Lüftung und welche Arten gibt es?
Unter Lüftung ist der gezielte Austausch von Innen- und Außenluft zu verstehen. Um dies zu erreichen, wird in der Technik grundsätzlich zwischen zwei Arten von Lüftung unterschieden.
Zum einen die freie Lüftung und zum anderen die ventilatorunterstützte Lüftung.
Unter freier Lüftung ist die natürliche Lüftung über Fenster, Fugen und Schächte gemeint. Dabei werden Luftdruck- und Temperaturunterschiede zwischen Innenraum und Außenluft genutzt. Die Lüftung kann sowohl durch das Öffnen der Fenster durch den Nutzer selbst geschehen, als auch durch Undichtigkeiten infolge Fugen und Leckagen. Die natürliche Lüftung kann auch über einen offenen Schacht erfolgen, durch den die Abluft entweichen und Frischluft zugeführt werden kann. Diese Schachtentlüftung ist auch als Berliner Lüftung bekannt.
Eine ventilatorunterstützte Lüftung liegt dann vor, wenn der Luftwechsel unter Zufuhr einer externen Hilfsenergie erfolgt. Diese Art der Lüftung wird auch als kontrollierte Wohnraumlüftung (KWL) bezeichnet. Entsprechende Anlagen können sowohl mit, als auch ohne Wärmerückgewinnung betrieben werden. All diesen Systemen liegt zugrunde, dass sie zu einem nutzerunabhängigen kontrollierten und definierten Luftaustausch führen.
Unterschieden wird zwischen zentralen und dezentralen Systemen. Ein zentrales System liegt dann vor, wenn an einer oder mehreren Stellen eine Abluftanlage installiert ist. Meist befinden sich diese in Räumen mit den höchsten Stoff- und Feuchtelasten wie Küche, WC oder Bad. Die Zuluft erfolgt entweder über Luftdurchlässe in der Außenwand (sogenannte Außenwanddurchlässe) oder in Fensterfugen (Fensterfalzlüfter o.ä.). Die Überströmung zum Abluftraum wird über Schlitze unter den Türen oder eigene Wanddurchlässe in den Innenwänden gewährleistet. So funktioniert eine klassische Abluftanlage.
Alternativ gibt es zentrale Zu-/Abluftsystem, die auch mittels Wärmerückgewinnung betrieben werden können. Ihr Kennzeichen ist, dass an einer zentralen Stelle in der Wohnung oder im Haus ein Lüftungsgerät installiert ist. Über dieses wird sowohl die Zu- als auch die Abluft geleitet. Mittels eines Wärmetauschers im Gerät kann die Wärme der Abluft rückgewonnen und an die Zuluft abgegeben werden. Dieses System „arbeitet“ mit Zu- und Abluftkanälen, welche die einzelnen Räume bedienen.
Dezentrale Systeme funktionieren hingegen nach dem Prinzip, dass jeder zu belüftende Raum ein eigenes Einzelraumgerät mit einer Leitungsführung direkt durch die Außenwand erhält. Die Außen- und Abluft wird unmittelbar gemeinsam im Gerät geführt.
Wie aus dieser stark verkürzten Darstellung zu erkennen ist, gibt es zur Lüftung eine Menge Möglichkeiten. Ziel sollte es sein, das für den konkreten Anwendungsfall geeignete Verfahren zu finden. Eine zielorientierte und wertfreie Planung bzw. Lüftungskonzepterstellung unter Berücksichtigung der Regelwerke kann hier einen sinnvollen Weg aufzeigen.
Vor- und Nachteile der Systeme
Ein freies Lüftungssystem kann nicht nutzerunabhängig betrieben werden. Es setzt große Sensibilität und Verständnis des Nutzers voraus. Ein weiteres Problem der freien Lüftung sind die auftretende Zugerscheinungen und die Abhängigkeit von einem deutlichen Temperatur- und Druckunterschied. Neben einem unerfreulichen Strömungsverhalten kann solch eine unkontrollierte Lüftung auch zu einer Auskühlung der Räume und verstärkt zu trockener Luft führen.
Gehört die Nutzerabhängigkeit zu den Nachteilen freier Lüftung, so ist gerade die Nutzerunabhängigkeit als allgemeiner Vorteil mechanischer Systeme zu benennen. Auch die Möglichkeit zur Nutzung von Filtern zur Außenluft ist als Vorteil hervorzuheben. Allerding kann hier die mögliche Entfeuchtung der Raumluft als problematisch betrachtet werden.
Für ein zentrales Lüftungssystem spricht besonders, dass eine zentrale Anlage vorhanden ist an die auch innenliegende Räume angeschlossen werden können. Der notwendige Ventilator kann in nicht geräuschempfindlichen Räumen eingebaut werden.
Aber auch dezentrale Lüftungssysteme haben einige Vorteile. So ist kein Rohrleitungssystem notwendig. Das entstehen möglicher Biofilme in den Leitungen wird damit von vorherein ausgeschlossen. Dezentrale Systeme kommen i.d.R. mit geringeren Ventilatorleistungen aus. Der Aufwand beim Einbau ist vergleichsweise gering. Und die Systeme lassen sich leicht durch die Nutzer bedienen. Als Mehraufwand sind bei mechanischen Systemen die notwendige Wartung (regelmäßige Filterreinigung), die Investitionskosten sowie bauliche Maßnahmen im und am Gebäude (Wanddurchlässse, Rohrleitungen) zu sehen.
Ein Aspekt ist immer zu beachten. Die Lüftung muss bei Schadstoffen in der Luft geschlossen werden können. Starke Rauchentwicklung bei Bränden oder die Schadstoffbelastung der Luft nach Umweltunfällen sind Beispiele dafür. Bei der Aufforderung „Alle Fenster und Türen sind geschlossen zu halten“ müssen sich Lüftungsanlagen zumindest manuell verschließen lassen oder über geeignete technische Möglichkeiten dafür verfügen.
Ein Blick auf die Kosten
Unter den verschiedenen am Markt vorhandenen Lüftungssystemen das optimale und im individuellen Fall sinnvollste zu finden sollte Ziel einer fachlichen Beratung bzw. Planung sein.
Die Kosten variieren je nach Komplexität und Leistung des gewählten Systems von beispielweise 5.000 EUR für ein einfaches Abluftsystem bis zu über 12.000 EUR für eine komplette zentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung.
Die Erfordernisse sollten realistisch beurteilt und vor allem fachgerecht geplant und auf den konkreten Nutzen bezogen werden. Es muss nicht immer die „große“ Lüftungslösung von der Stange sein, die zum gewünschten Ziel führt. Oft sind es individuelle Lösungen mit einfachen Komponenten, die genauso zielführend und erfolgreich sein können. Auch eine klassische Fensterlüftung kann selbstverständlich weiterhin ausreichend sein.
Wichtig ist die sensible und ergebnisoffene Auseinandersetzung mit dem Thema unter fachlicher Beratung, so dass es zu einer Akzeptanz der gewählten Lösung kommt. Das Ziel sollte immer das Wohlbefinden der Bewohner sein. Eng damit verbunden gehören die Sicherstellung der Luftqualität und die Vorbeugung gegen Schimmel zu den zentralen Anforderungen.
Kommentar hinterlassen