Ist das Kunst oder kann das weg?
„Was habe ich mit Kunst am Bau zu schaffen?“, mag sich der gewöhnliche Gebäudeeigentümer fragen. Nun, wer sich sein Gebäude besonders schön oder originell ausstatten lässt, hat womöglich mit einem Künstler zu tun. Und wenn das, was der Künstler macht, nicht nur irgendwie „hübsch“ oder „interessant“, sondern „Kunst“ ist (was bei Künstlern meistens der Fall ist), kann der Gebäudeeigentümer die Kunst nicht einfach wegmachen, wenn sie ihm nicht mehr gefällt. Sonst droht Ärger nach dem Urheberrechtsgesetz.
Wenn es Ärger gibt, muss zunächst geklärt werden, ob es sich um „Kunst“ handelt. Kunst ist ein Werk, das eine „Schöpfungshöhe“ erreicht, die es „nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise“ rechtfertigt, „von einer künstlerischen Leistung zu sprechen“. Das ist der abstrakte Definitionssatz der Juristen. Jetzt müssen wir herausfinden, was das im wirklichen Leben bedeutet.
„Kunst“ war die Ausstattung einer Minigolf-Anlage, die im Keller eines Hauses irgendwo in Berlin betrieben wurde. Der Betreiber hatte Künstler beauftragt, hier einen besonderen Ort zu schaffen. Die Künstler „gestalteten diese Räume mit Farben, die unter Schwarzlicht leuchteten, einer Brunneninstallation im Eingangsbereich sowie einer Sterninstallation.“ Aber schon nach 18 Monaten ließ der Betreiber die Anlage umgestalten. Dabei wurde das Werk der Künstler zerstört.
Die Künstler verlangten daraufhin eine Entschädigung. Landgericht und Kammergericht Berlin waren aber der Auffassung, dass die „Zerstörung“ keine einer „Entstellung“ gleichzusetzende „andere Beeinträchtigung“ des „Urheberpersönlichkeitsrechts“ im Sinne des § 14 Urheberrechtsgesetz (UrhG) sei. Der BGH hat nun mit einer Entscheidung aus dem Februar 2019 klargestellt, dass eine Zerstörung sehr wohl eine Beeinträchtigung ist, die der Entstellung gleichzusetzen ist.
Der BGH hat den Rechtsstreit an das Kammergericht zurückverwiesen. Dieses muss jetzt „eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks“ vornehmen. Dabei muss das Gericht ermitteln, ob „die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk“ die Interessen des Eigentümers überwiegen. Bei der Betrachtung der Interessen des Künstlers ist zu berücksichtigen, „ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient.“
Eine Geldentschädigung gibt es allerdings nur, wenn es sich um eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts handelt, die schwerwiegend ist und die „nicht durch andere Weise […] ausgeglichen werden kann.“
Für Gebäudeeigentümer, die auf eine anspruchsvolle Gestaltung Wert legen, ist diese Rechtsprechung von großer Bedeutung. Wenn es sich um das Werk eines Künstlers handelt und dieses nicht einfach wie ein Bild in einen anderen Raum transportiert werden kann, sondern das Werk und die Gestaltung und Nutzung des Gebäudes untrennbar miteinander verbunden sind, kann es kompliziert werden. Der Gebäudeeigentümer kann dann nicht einfach irgendwann nach Belieben das Gebäude umgestalten. Eine Veränderung, die zugleich eine Vernichtung des Kunstwerks bedeuten würde, kann der Künstler womöglich untersagen lassen. Und falls das Werk bereits vernichtet worden ist, besteht womöglich ein Anspruch des Künstlers auf eine erhebliche Geldentschädigung.
Aber es geht eben immer um eine Abwägung der Interessen des Künstlers und denen des Gebäudeeigentümers. Zugunsten des Gebäudeeigentümers sind „bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung“. „Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstücks oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt.“
Meine Vermutung ist, dass auch eine von Künstlern gestaltete Minigolf-Anlage nicht für alle Zeiten unter Schwarzlicht betrieben werden muss.
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