Wir alle hoffen, unser Leben dauerhaft bei guter Gesundheit und unversehrt führen und genießen zu können. Die Sorge, dass sich das ändern könnte, verdrängen wir gerne. Besser ist es jedoch, vorbereitet zu sein und bestimmte Dinge, die für ein geregeltes Leben auch im Falle einer schweren Krankheit oder eines Unfalles existentiell sind, frühzeitig in unserem Sinne zu regeln. Insbesondere, was hinsichtlich der Verwendung des Immobilieneigentums geregelt werden kann bzw. was damit geschieht, wenn keine vorzeitige Regelung getroffen worden ist, fragen wir den Experten Herrn Rechtsanwalt Sebastian Retter. Und anschließend möchten wir vom Experten Herrn Ralf Kunert wissen, wie er gesetzliche Betreuer bei der optimalen Immobilienverwertung unterstützt.
Herr Retter, nehmen wir einmal den Fall an, dass jemand zum Beispiel infolge eines Unfalles oder durch Altersdemenz seine Geschäftsfähigkeit verliert, dann also seine rechtlichen Angelegenheiten in Teilen oder vollständig nicht mehr selbst regeln kann. Was bedeutet das rechtlich hinsichtlich des Vermögens, insbesondere des Immobilieneigentums dieser Person?
„Wenn eine volljährige Person infolge von körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen, Krankheiten oder Behinderungen nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, tritt der Betreuungsfall ein. Sofern keine geeignete Person zur Verfügung steht, wird durch das Betreuungsgericht ein gesetzlicher Betreuer bestellt. Dem Betreuer wird durch den gerichtlichen Auftrag das Recht eingeräumt, für den Betreuten und in dessen Interesse zu handeln. Die Aufgaben des Betreuers ergeben sich aus den Belangen, den sogenannten Rechtskreisen, die ihm vom Gericht übertragen wurden. Gehört dazu auch die Vermögenssorge, kann bzw. muss der Betreuer auch über Immobilienvermögen des Betreuten durch Belastung oder Veräußerung verfügen.“
Was bedeutet „wenn keine geeignete Person zur Verfügung steht“? Wird denn die Betreuung nicht von dem Ehegatten bzw. dem Lebenspartner oder z.B. den Eltern übernommen?
„Entgegen einer landläufigen Fehlannahme gibt es kein automatisches gesetzliches Vertretungsrecht für Ehepartner oder sonstige Angehörige im Betreuungsfall. Selbst wenn z.B. zwischen Eheleuten zuvor eine einvernehmliche Einigung bestand, dass jeder über das Vermögen verfügen darf, gilt das im Betreuungsfall nicht. Aus rechtlicher Sicht werden die Vermögenswerte in einer solchen Situation streng getrennt. Verfügungen über das Vermögen des anderen Partners sind dann gesetzlich untersagt und können in der schwersten Konsequenz sogar strafrechtlich geahndet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zuvor eine rechtskonforme Vorsorgevollmacht eingerichtet wurde, die auch die Vermögenssorge umfasst.“
Was regelt eine Vorsorgevollmacht und was ist der Unterschied zur gesetzlichen Betreuung?
„In einer Vorsorgevollmacht können und sollten alle Bereiche geregelt werden, die von einer gesetzlichen Betreuung erfasst werden. Neben der Vermögenssorge sollten z.B. auch die Gesundheitssorge und Wohnangelegenheiten geregelt werden. Der Vollmachtgeber räumt dazu dem Bevollmächtigten das Recht ein, ihn in diesen Bereichen gesetzlich verbindlich zu vertreten und für ihn zu handeln. Im Unterschied zu einer gesetzlichen Betreuung ist der Bevollmächtigte verpflichtet, den vom Vollmachtgeber geäußerten Willen zu beachten und diesen umzusetzen. Entscheidungen des gesetzlichen Betreuers dagegen messen sich primär daran, ob sie zweckmäßig sind. Dazu hat der gesetzliche Betreuer insbesondere Vermögenswerte zusammenzuhalten oder erforderlichenfalls zu verwerten, um die Kosten für den Lebensunterhalt und die medizinische Versorgung des Betreuten sicherzustellen. Der mutmaßliche Wille des Betreuten, also z.B. der Wunsch, so lange wie möglich im Eigenheim zu leben oder dieses für Nachkommen zu sichern, steht dahinter zurück. Schließlich ist der gesetzliche Betreuer gegenüber dem Betreuungsgericht stets zur Rechenschaft verpflichtet. Diese Grundsätze für die gesetzliche Betreuung gelten auch dann, wenn z.B. der Ehegatte oder Lebenspartner zum gesetzlichen Betreuer bestellt wird, so dass auch dieser seine Entscheidungen nicht nach dem einmal geäußerten bzw. mutmaßlichen Willen des Betreuten, sondern an objektiven Zweckmäßigkeitserwägungen zu orientieren hat.“
Heißt das, wenn ich eine Vorsorgevollmacht z.B. zu Gunsten eines mir Vertrauten abgeschlossen habe, dann kann dieser entsprechend meinem Willen über mein Eigenheim oder Grundstück verfügen?
„Bei Vorliegen einer rechtskonformen Vorsorgevollmacht ist dies grundsätzlich möglich. Dabei sollte im Rahmen der Bevollmächtigung mit dem Bevollmächtigten intensiv über die eigenen Wünsche und Vorstellungen in einer solchen Situation gesprochen werden. Dies umfasst insbesondere die Frage, wie bzw. wo man in dieser Situation leben möchte und wie mit dem Grundbesitz umgegangen werden soll. Soweit der Bevollmächtigte zur Verfügung über eine Immobilie berechtigt sein soll, muss die ansonsten formfreie Vollmacht notariell beurkundet werden. Weiterhin darf die Vollmacht nicht aufschiebend bedingt für den Betreuungsfall erteilt werden. Die Berechtigung des Vorsorgebevollmächtigten, von der Vollmacht Gebrauch zu machen, sollte daher in einer gesonderten Vereinbarung, die sich allein auf das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer bezieht, geregelt werden. Damit ist sichergestellt, dass die Vollmacht von Notaren und Grundbuchämtern auch akzeptiert wird. Andernfalls müsste ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden. Dieses Risiko besteht immer dann, wenn die Vorsorgevollmacht unzureichend ist. Deswegen sollten solche Dokumente stets von Rechtsanwälten aufgesetzt werden.“
Herr Retter, kann ich mit einer Vorsorgevollmacht abschließend verhindern, dass meine Immobilie veräußert wird?
„Das ist für den Fall des sog. Sozialhilferegresses nicht möglich. Damit ist gemeint, dass der Sozialhilfeträger Vorleistungen erbracht hat, wie z.B. Pflegekosten und anschließend auf das einsetzbare Vermögen des Hilfsbedürftigen zurückgreift. Die Verwertung einer Immobilie ist aber ausgeschlossen, wenn diese vom Hilfebedürftigen oder einer anderen leistungsberechtigten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach dem Tod des Hilfebedürftigen von seinen Angehörigen bewohnt werden soll.“
Und wenn dieser Fall eintritt, dass die Veräußerung der Immobilie zwingend erforderlich wird, sind dann bestimmte Regelungen zu beachten?
„Im Fall der Vorsorgevollmacht gibt es kein vorgeschriebenes Verfahren. Dennoch ist es empfehlenswert, einen Experten für die Immobilienverwertung einzubinden, um sich gegen eventuelle Regressansprüche zu schützen. Anders ist es im Fall der gesetzlichen Betreuung. Hier ist die Genehmigung einer Veräußerung durch das Betreuungsgericht erforderlich. Das Betreuungsgericht wird zum einen dem Verkauf nur dann zustimmen, wenn Finanzbedarf besteht oder die Immobilie unwirtschaftlich ist oder wenn der Betreute in eine andere Immobilie umzieht. Zum zweiten muss der Kaufpreis dem Wert der Immobilie entsprechen.“
Meine Herren, wenn also eine Vorsorgevollmacht nicht eingerichtet wurde, dann wird im Betreuungsfall ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt, der dann auch – wenn erforderlich – den Verkauf der Immobilie erwägt und in die Wege leiten kann. Diesen Fall möchten wir im Folgenden näher beleuchten. Herr Kunert, Sie kennen sich in dieser Materie bestens aus und sind für den gesetzlichen Betreuer qualifizierter Partner für den Immobilienverkauf. Um wen handelt es sich denn eigentlich bei dem sogenannten „gesetzlichen Betreuer“?
„In der Regel werden vom Betreuungsgericht kompetente Rechtsanwälte bzw. Betreuungsvereine oder hauptamtliche Mitarbeiter von Betreuungsvereinen zum gesetzlichen Betreuer bestellt, die dafür spezielles Knowhow aufweisen, auch aufgrund ihrer Qualifikation zum Beispiel im Familien-, Erb-, Sozial- oder Medizinrecht.“
Herr Kunert, wie entsteht denn Ihr Kontakt zu einem gesetzlichen Betreuer?
„Häufig werden die Kontakte über Banken hergestellt, die den Betreuten als Kunden kennen. Diese Banken – zum Beispiel die Berliner Volksbank, deren hundertprozentiges Tochterunternehmen die BVBI ist – kennen mich als Spezialisten für diese Aufgabe und vermitteln den Kontakt des Betreuers zu mir.“
Und wie unterstützen Sie den gesetzlichen Betreuer beim bestmöglichen Verkauf der Immobilie?
„Ein erfolgreicher Verkauf im Interesse des Betreuten beginnt bereits bei einer sorgfältigen Vorbereitung der Transaktion. Dazu gehört im ersten Schritt die Zusammenstellung wichtiger Informationen und Unterlagen, dafür findet am Anfang der Zusammenarbeit zwischen dem Betreuer und mir ein ausführliches Gespräch statt, in dem der Sachverhalt detailliert dargelegt wird und in dessen Abschluss der Betreuer anhand einer Checkliste die wichtigsten Dokumente und Unterlagen zusammenstellt. Nach der Prüfung der Haus- und Wohnungsunterlagen besichtigen wir gemeinsam vor Ort die Immobilie, um deren Zustand, die Lage und Besonderheiten zu beurteilen. Denn das sind für die Erzielung eines guten Verkaufspreises entscheidende Kriterien.“
Wie, Herr Kunert, ermitteln Sie den Wert der zu veräußernden Immobilie?
„Der Wert einer Immobilie wird mit drei Verfahren ermittelt, dem Sachwert-, dem Ertragswert- und dem Vergleichswertverfahren. Entscheidend ist, dass der ermittelte Wert die Marktsituation realistisch kennzeichnet. Denn auf dieser Basis wird der Verkaufspreis für das Immobilienangebot festgelegt. Diesen Verkaufspreis muss der Betreuer mit dem Betreuungsgericht abstimmen, bevor die Offerte an den Markt geht. Das Gericht wird nur zustimmen, wenn der angebotene Verkaufspreis den Wert der Immobilie widerspiegelt. Es gibt allerdings Ausnahmen, wenn z.B. für die Immobilie nur sehr schwer ein Käufer gefunden werden kann, zum Beispiel in abgelegenen ländlichen Gebieten. Dann werden vom Gericht auch Verkaufspreise akzeptiert, die den Wert um mehr als 10 Prozent unterschreiten.“
Und wie finden Sie den „richtigen“ Käufer für das Objekt?
Zum einen verfügt die BVBI über einen Interessentenstamm von ca. 20.000 potentiellen Käufern, deren individuellen Bedarf ich mit dem vorliegenden Angebot abgleiche. Zum anderen nutzen wir das gesamte Filialnetz der Berliner Volksbank mit mehr als 100 Geschäftsstellen, in denen wir das Angebot präsentieren können. Darüber hinaus offerieren wir die Immobilie natürlich in zahlreichen Print- und digitalen Fachmedien. Zum dritten – und das ist das Besondere bei der Immobilienvermarktung im Betreuungsfall – achten wir sehr darauf, einen Käufer zu finden, der sich mit der Historie der speziellen Immobilie identifizieren kann, der zum Beispiel ein damit verbundenes Lebenswerk des Betreuten achtet und die Immobilie in einer Weise nutzt, die dem Willen oder Wunsch des Betreuten nahe kommt.“
Herr Kunert, gibt es außer diesen von Ihnen zuletzt beschriebenen Besonderheiten noch weitere Eigenheiten beim Immobilienverkauf im Betreuungsfall?
„Ja, denn wenn wir den Käufer gefunden haben, muss das Betreuungsgericht dem Kaufvertrag zustimmen bzw. muss eine Nachgenehmigung erfolgen. Bis zu dieser Genehmigung gilt der Vertrag als schwebend unwirksam.“
Herr Retter, Herr Kunert, herzlichen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.
Weitere Informationen:
Junghans & Radau
Rechtsanwälte
(030) 81463870
info@junghans-radau.de
Berliner Volksbank Immobilien GmbH
(030) 56555550
info@bvbi.de
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